Die Schweiz liegt im Zentrum Europas. Entsprechend war und ist ihre Migrations- und Asylpolitik immer auch ein Spiegel europäischer Entwicklungen. Nicht nur ihre geografische Lage, sondern auch die geteilten wirtschaftlichen Interessen, die kulturelle Nähe mit und zu ihren Nachbarstaaten führen dazu, dass die Schweizer Migrationspolitik eng mit jener ihrer Nachbarstaaten verflochten ist.
Besonders prägend für die heutige Migrationspolitik der Schweiz war die Errichtung des gemeinsamen Europäischen Binnenmarkts Anfang der 1990er Jahre und die damit verbundene Abschaffung der Binnengrenzkontrollen zur Gewährleistung eines freien Personenverkehrs innerhalb der Europäischen Union (EU). Damit die Schweiz als Nicht-Mitgliedstaat der EU ihren Unternehmen dennoch einen diskriminierungsfreien Zugang zum weltweit grössten Binnenmarkt sichern konnte, schloss sie sektorielle Marktzugangsabkommen mit der EU ab. Dazu gehören unter anderem das Freizügigkeitsabkommen (FZA) als Teil der sogenannten «Bilateralen Verträge I» sowie das Schengener- und das Dubliner-Assoziierungsabkommen als Teile der sogenannten «Bilateralen Verträge II». Das FZA berechtigt Staatsangehörige der Schweiz und der EU-Mitgliedstaaten, den Aufenthalt- und Arbeitsort innerhalb des Territoriums der Vertragsstaaten frei zu wählen. Das Schengener-Abkommen regelt die Aufhebung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen und komplementär dazu die verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz, Polizei, Visa und Schutz der Schengen-Aussengrenzen. Das Dubliner-Abkommen reguliert die Zuständigkeit für die Prüfung von Asylgesuchen. Es stellt sicher, dass trotz fehlender Binnengrenzkontrollen, Asylsuchende nur noch in einem Vertragsstaat ein Asylgesuch stellen können und dort ein ordentliches Asylverfahren erhalten.
Mit dem FZA und der Assoziierung an Schengen und an Dublin wurde die Schweizer Migrationspolitik in den Bereichen Zuwanderungs-, Asyl- und Sicherheitspolitik um eine europäische Dimension erweitert. Als Nicht-Mitglied der EU bleibt ihre Beteiligung bei der Ausgestaltung der europäischen Migrations- und Asylpolitik jedoch eingeschränkt. Bei der Erarbeitung neuer EU-Rechtsakte hat die Schweiz kein formelles Mitentscheidungsrecht (decision-making). Sie verfügt aber über ein weitgehendes Mitspracherecht (decision-shaping), und neue Erlasse werden ihr zur Genehmigung vorgelegt. Die Schweiz engagiert sich in diversen Ausschüssen, Verwaltungsräten und Einsatzgruppen auf vielfältige Weise in der europäischen Migrations- und Asylzusammenarbeit.
Der wirtschaftspolitische Aspekt der Migration, der durch die Liberalisierung der grenzüberschreitenden Mobilität innerhalb Europas bedient wird und mit sicherheitspolitischen Restriktionen gegenüber Drittstaatangehörigen verbunden ist, darf den humanitären Aspekt der Migration – jener des Flüchtlingsschutzes – nicht überwiegen. Sicherheitspolitische Investitionen in den europäischen Aussengrenzschutz müssen mit der Sicherstellung des Flüchtlingsschutzes an den Schengen-Aussengrenzen und innerhalb Europas Hand in Hand gehen.
Publikationen
-
Ein neuer Rahmen für eine europäische Migrations- und Asylpolitik (PDF, 340 kB, 09.12.2020)
Empfehlungen der EKM (2020)
Letzte Änderung 24.06.2024