«Freiwillige» Ausreise oder Irregularität
Kann eine Wegweisung nach einem negativen Asylentscheid vollzogen werden, werden die betroffenen Personen aufgefordert, freiwillig auszureisen. Ab diesem Zeitpunkt steht ihnen, wenn sie in der Schweiz bleiben, lediglich Nothilfe zu. Die Einführung des Nothilfesystems beabsichtigte abschreckend zu wirken. Viele abgewiesene Asylsuchende reisen jedoch nicht freiwillig aus, sondern bleiben über lange Zeit in Nothilfestrukturen oder tauchen unter. Die wachsende Anzahl von Sans-Papiers aus dem Asylbereich stellt für die Behörden und die schweizerische Asylpolitik eine Herausforderung dar.
Rückkehrberatung und -hilfe
Um die freiwillige Ausreise zu fördern, wird Asylsuchenden eine Rückkehrberatung, eine individuelle finanzielle Rückkehrhilfe und allenfalls eine materielle Zusatzhilfe für ein Eingliederungsprojekt im Herkunftsland angeboten. Gewährleistet wird die Beratung in den Bundeszentren von der International Organisation für Migration (IOM) und von kantonalen Rückkehrberatungsstellen.
Die Kommission setzt sich für eine Stärkung der Rückkehrhilfe und der Chancen- und Rückkehrberatung ein. Zielgerichtete Beschäftigungsmöglichkeiten in der Schweiz, die es den Asylsuchenden ermöglichen, sich weitere Kompetenzen anzueignen, könnten die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise zusätzlich unterstützen.
Zwangsmassnahmen
Die Stimmbevölkerung hat 1994 mit 73% für die Einführung von Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht gestimmt. Diese Massnahmen wurden in der Teilrevision des Asylgesetzes 2005 unter der sogenannten «Lex Blocher» weiter verschärft. Die Wegweisung einer Person kann demnach, wenn sie nicht freiwillig ausreist, von den kantonalen Behörden zwangsweise vollzogen werden. Zu diesem Zweck können Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus in Ausschaffungshaft genommen werden. In dieser Administrativhaft, die sich nicht strafrechtlich begründet, müssen die Betroffenen getrennt von Personen im Strafvollzug in sogenannten Ausschaffungsgefängnissen untergebracht werden.
Die in der Schweiz vorgesehene maximale Dauer der Ausschaffungshaft von 24 Monaten musste aufgrund der für die Schweiz verbindlichen Rückführungsrichtlinie der EU auf 18 Monate reduziert werden. Andere europäische Länder kennen deutlich kürzere Fristen. Ist die Ausschaffung während dieser Frist nicht durchführbar, muss die inhaftierte Person wieder freigelassen werden. Besonders umstritten ist die spezielle Form der Durchsetzungshaft. Diese dient dazu, die Kooperation der betroffenen Person zu erzwingen und wird als Beugehaft kritisiert.
Das heutige System der Ausschaffung sieht vier Vollzugsstufen vor. Auf der ersten Stufe kann die Person der selbstständigen Ausreise zustimmen und mit einem regulären Flug ausreisen. Als vierte Vollzugsstufe und weitaus umstrittenste Massnahme ist der zwangsweise Sonderflug vorgesehen, während dem die Betroffenen gefesselt sind. Die EKM hat bezüglich dieser Massnahmen ethische Bedenken und empfiehlt die Ausschöpfung anderer Möglichkeiten der Rückkehrpolitik. Die Sonderflüge müssen, wie in der Rückführungsrichtlinie vorgesehen, begleitet und überwacht werden. Nachdem sich mehrere Nichtregierungsorganisationen geweigert hatten, diese anspruchsvolle und ethisch heikle Aufgabe zu übernehmen, wird das ausländerrechtliche Vollzugsmonitoring von der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) wahrgenommen. Die EKM ist in einem Begleitforum der NKVF vertreten.
Bei zahlreichen Personen kann die Ausschaffung nicht durchgeführt werden, weil ihr Heimatland Asylsuchende, die nicht freiwillig ausreisen, nicht in ihr Land zurückreisen lässt. Aus diesem Grund versucht die Schweiz mit den Herkunftsstaaten von Asylsuchenden Rückübernahmeabkommen oder teilweise auch Migrationspartnerschaften abzuschliessen
Letzte Änderung 24.06.2024