Bundesrat sagt Nein zur Begrenzungsinitiative
Bern, 07.06.2019 - An seiner Sitzung vom 7. Juni 2019 hat der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative "Für eine massvolle Zuwanderung" an das Parlament verabschiedet. Er bekräftigt darin sein Nein gegen die sogenannte Begrenzungsinitiative. Der Verzicht auf die Personenfreizügigkeit mit der EU würde Arbeitsplätze in der Schweiz gefährden. Die Initiative nimmt zudem den Wegfall der Bilateralen I und damit das Ende des bilateralen Wegs in Kauf.
Die Initiative verlangt vom Bundesrat, das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA) mit der EU auf dem Verhandlungsweg innert Jahresfrist ausser Kraft zu setzen oder es einseitig zu kündigen, falls dies nicht gelingen sollte. Damit nimmt die Initiative auch den Wegfall der Bilateralen I in Kauf, und stellt so den bilateralen Weg insgesamt in Frage.
Schweiz profitiert stark von der Personenfreizügigkeit
Die Personenfreizügigkeit ist für die Schweiz von zentraler Bedeutung. Sie erlaubt es Arbeitgebern, rasch, flexibel und ohne administrativen Aufwand Fachkräfte im EU/EFTA-Raum zu rekrutieren. Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Wirtschaft und sichert Arbeitsplätze. Der Wegfall der Personenfreizügigkeit hätte deshalb einschneidende Auswirkungen auf den Wirtschafts-, aber auch den Wissenschaftsstandort Schweiz. Er würde viele Arbeitsplätze in unserem Land direkt gefährden.
Die Personenfreizügigkeit gilt nicht bedingungslos. Wer sich in der Schweiz aufhalten möchte, braucht einen gültigen Arbeitsvertrag, muss selbstständig erwerbend sein oder bei Nichterwerbstätigkeit ausreichende finanzielle Mittel nachweisen können und über eine umfassende Krankenversicherung verfügen. Das FZA führt deshalb vor allem zu einer Zuwanderung in den Arbeitsmarkt: Rund zwei Drittel der Staatsangehörigen aus EU-Staaten, die in die Schweiz einwandern, nehmen direkt eine Erwerbstätigkeit auf. Die Zuwanderung im Rahmen des FZA hat insgesamt nicht zu einer Zunahme der Sozialleistungsbezüge oder zu einer Verschlechterung der Arbeitsmarktbedingungen geführt.
Gleichzeitig garantiert das FZA, dass Schweizer Bürgerinnen und Bürger in der EU leben und arbeiten können.
Wegfall der Bilateralen I
Kommt es zu einer einseitigen Kündigung des FZA fielen aufgrund der "Guillotine-Klausel" zudem alle anderen sechs Abkommen der Bilateralen I weg. Diese sichern in wichtigen Wirtschaftssektoren einen weitgehend diskriminierungsfreien Zugang der Schweizer Unternehmen zum EU-Binnenmarkt. Konkret sind dies die Abkommen über die technischen Handelshemmnisse, über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen, zum Land- und Luftverkehr, zum öffentlichen Beschaffungswesen sowie zur Forschung.
Die EU ist der bedeutendste Handelspartner der Schweiz. 2018 exportierte unser Land Waren im Wert von über 120 Mrd. Franken in die EU, das entspricht über der Hälfte aller Exporte. Ein Wegfall der Bilateralen I hätte einschneidende negative Konsequenzen für die Schweizer Volkswirtschaft. Der Zugang zum EU-Binnenmarkt würde sich verschlechtern, was die Exportmöglichkeiten für Schweizer Unternehmen einschränken und höhere Konsumentenpreise für Importe aus der EU nach sich ziehen würde. Studien im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) von 2015 zeigen auf, dass in weniger als 20 Jahren das Bruttoinlandprodukt rund fünf bis sieben Prozent tiefer liegen würde als mit den Bilateralen I.
Zusätzlich besteht das Risiko, dass die EU neben den Bilateralen I weitere Abkommen mit der Schweiz in Frage stellt, wie zum Beispiel die Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen. Eine Annahme der Initiative würde folglich den bilateralen Weg zwischen der Schweiz und der EU grundlegend in Frage stellen.
Zuwanderung folgt den Bedürfnissen der Wirtschaft
Schon seit der Einführung der Personenfreizügigkeit folgt die Zuwanderung aus der EU der wirtschaftlichen Entwicklung in der EU und in der Schweiz. In den ersten Jahren nach der Finanzkrise 2008 wuchs die Wirtschaft in der Schweiz stärker als in der EU. Entsprechend stieg die Zuwanderung über mehrere Jahre an. Seit 2013 hat sich der Wanderungssaldo (Nettozuwanderung) aus der EU aufgrund des soliden Wirtschaftswachstums in Europa allerdings wieder von damals rund 60 000 auf rund 30 000 Personen halbiert.
Selbst wenn das inländische Arbeitskräftepotenzial bestmöglich ausgeschöpft werden kann, wird die Schweiz auch in Zukunft auf gut qualifizierte Personen aus dem Ausland angewiesen sein, da die Bevölkerung in der Schweiz in den kommenden Jahren deutlich altern wird. Dieser demografische Wandel ebenso wie der strukturelle Wandel unter anderem infolge der Digitalisierung verschärft den Fachkräftemangel und stellt eine grosse Herausforderung dar. Ein Wegfall des FZA würde die negativen Auswirkungen des demografischen Wandels für den Arbeitsmarkt in der Schweiz deutlich verschärfen.
Zuwanderung auch als Herausforderung
Der Bundesrat anerkennt, dass Zuwanderung stets auch mit Herausforderungen verbunden ist. Er möchte nur so viel Zuwanderung wie nötig. Das inländische Arbeitskräftepotenzial soll daher weiterhin gezielt unterstützt und gefördert werden. Dies entspricht auch dem Auftrag aus der Masseneinwanderungsinitiative, die das Stimmvolk 2014 angenommen hatte.
Im Bereich des FZA nutzt der Bundesrat die bestehenden flankierenden Massnahmen wie die Meldepflicht und Kontrollen bei entsandten EU-Arbeitnehmenden. Die Stellenmeldepflicht, die inländischen Arbeitsuchenden einen zeitlichen Vorsprung auf dem Stellenmarkt verschafft, wird konsequent umgesetzt. Am 15. Mai 2019 hat der Bundesrat zudem eine Reihe weiterer wirtschafts- und sozialpolitischer Massnahmen beschlossen, um die inländischen Arbeitskräfte und insbesondere die älteren Arbeitnehmer gezielt zu unterstützen.
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Letzte Änderung 06.06.2024