Vorlage für Bucheffektengesetz und Haager Wertpapierübereinkommen gutgeheissen
Bern, 15.11.2006 - Die Schweiz soll ein Bucheffektengesetz erhalten. Das Gesetz modernisiert die seit 1936 geltenden Regelungen zur Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren. Zugleich soll das Haager Wertpapierübereinkommen ratifiziert werden. Es vereinheitlicht das im internationalen Verhältnis anwendbare Recht in der Wertpapierverwahrung. Der Bundesrat hat heute die entsprechende Vorlage gutgeheissen. Die Vorlage trägt den Anforderungen des heutigen Wertpapiergeschäfts Rechnung und erhöht die Rechtssicherheit. Dies steigert die Attraktivität der Schweiz im Wettbewerb der Finanzplätze.
Nach geltendem schweizerischem Recht ist ein Wertpapier eine Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch übertragen werden kann. Daraus ergibt sich, dass einerseits der Besitz des Papiers Ausweis ist für die Geltendmachung des Rechts und anderseits die Übertragung des Besitzes der Urkunde Voraussetzung ist für die Übertragung des Rechts.
Kapitalmarktpapiere werden heute jedoch nur noch in den seltensten Fällen direkt durch Anlegerinnen und Anleger verwahrt. Üblich ist vielmehr die Verwahrung der Wertpapiere durch Banken und andere Finanzintermediäre. Bei dieser so genannten mediatisierten Wertpapierverwahrung werden die Ansprüche der Anlegerinnen und Anleger durch Gutschriften in den Depotkonten ausgewiesen. Soweit physische Urkunden überhaupt noch vorliegen, sind sie bei zentralen Verwahrungsstellen immobilisiert; sie spielen weder für die Geltendmachung der Rechte der Anlegerinnen und Anleger noch für deren Übertragung eine Rolle.
In der Schweiz wurde die Mediatisierung bislang weitgehend auf der Grundlage des herkömmlichen Sachen-, Schuld- und Konkursrechts bewältigt. Die erforderliche Rechtssicherheit ist aber damit nicht mehr gewährleistet. Der vorliegende Entwurf für ein Bundesgesetz über Bucheffekten (BEG) schafft die notwendigen verlässlichen Rechtsgrundlagen. Er sieht ein neues Vermögensobjekt, die Bucheffekte, vor. Den Bucheffekten kommen alle funktionellen Eigenschaften eines Wertpapiers zu, ohne Sache im Sinne der schweizerischen Privatrechtsordnung zu sein. Für die Entstehung von Bucheffekten, deren Übertragung oder für die Begründung von Rechten daran anerkennt der Entwurf die konstitutive Wirkung von Gutschriften in Effektenkonten.
Die mediatisierte Wertpapierverwahrung hatte auch im internationalen Privatrecht einschneidende Folgen. Die traditionelle Lex-rei-sitae-Regel, welche dingliche Rechte an Sachen dem Recht des Staates unterstellt, in dem die Sache belegen ist, funktioniert nicht mehr. Das geltende Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG) zwingt zudem zu einer Differenzierung zwischen sachenrechtlichen und schuldrechtlichen Formen der mediatisierten Wertpapierverwahrung. Wegen der komplexen Rechtslage des in- und ausländischen Sachenrechts ist diese Differenzierung eine praktisch kaum lösbare Aufgabe.
Vor diesem Hintergrund postuliert die Vorlage eine rasche Ratifikation des Haager
Übereinkommens vom 5. Juli 2006 über die auf bestimmte Rechte an Intermediär-verwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung (Haager Übereinkommen, HWpÜ). Dieses Übereinkommen überwindet die Lex-rei-sitae-Regel. Es knüpft das anwendbare Recht an den Ort des massgebenden Intermediärs an und verbessert damit die Voraussehbarkeit des anwendbaren Rechts in massgeblicher Weise. Damit leistet das HWpÜ einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit im internationalen Wertpapierverkehr. Indem das HWpÜ das Kollisionsrecht regelt, während das BEG das materielle Recht bestimmt, sind die beiden Gesetzgebungen komplementär zueinander.
Die Schweiz und die USA haben das Übereinkommen am 5. Juli 2006 unterzeichnet. Das HWpÜ ist völkerrechtlich jedoch noch nicht in Kraft getreten. Deshalb wird vorgeschlagen, im IPRG eine Bestimmung einzuführen, wonach für Rechte an Bucheffekten und deren Übertragung das HWpÜ gilt. Kraft dieser Bestimmung gilt das HWpÜ bis zu einem völkerrechtlichen Inkrafttreten als autonomes Landesrecht. Das IPRG wird zudem mit Bestimmungen betreffend Begriff, Gerichtsstand und Anerkennung ergänzt.
Die Vorlage geht nun in die parlamentarische Beratung.
Adresse für Rückfragen
Barbara Schaerer, Eidg. Finanzverwaltung, Tel. 031 322 60 18
Monique Jametti Greiner, Bundesamt für Justiz, Tel. 031 322 41 34
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Eidgenössisches Finanzdepartement
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Letzte Änderung 26.06.2024